Dorfschmiede Pesterwitz

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Wie ich der letzte Schmied von Pesterwitz wurde
1953 wurde in der DDR der Flugzeugbau in Klotsche begonnen. Der dort ansässige Plastmaschinenbau wurde in unseren Betrieb "Lowa-Freital" (Windbergarena) verlegt. Alle dort Beschäftigten mussten sich neue Arbeit suchen - ich auch.. Zu diesem Zeitpunkt wurde aus dem bisherigen Volksjugendgut das Volkseigene Gut Pesterwitz - das VEG. Der FDJ-Sekretär verschwand und ein Parteisekretär musste her. Dafür war der bisherige Schmied, Kollege Weidner, gelernter Industrieschmied im Edelstahlwerk Freital vorgesehen. Die Stelle war frei und ich bewarb mich und wurde als neuer Schmied eingestellt. Die Dorfschmiede war zu diesem Zeitpunkt dann Mildners Drogie - verantwortlich für sämtliche Schärf- und Reparaturarbeiten für das VEG Pesterwitz und Altfranken und dazu kamen noch Kleinreparaturen für die Dorfbewohner. Es war ja an allem Mangel. Die Schmiede war ein kleiner Treff für alle, die ein handwerkliches Problem hatten. Gärtner Rothe, Böhm, Nitzschke, Patzig und Schmidt kamen mit kaputtem Werkzeug, Tischler Schulze oder Ofensetzer Richter hatten mal ein Anliegen und dazu kamen noch die vielen kleinen Arbeiten für die Dorfbewohner und auch für die Gemeinde, sodass ich oftmals einige Stunden nach Feierabend auch noch zu arbeiten hatten. Hufbeschlag wurde für Pesterwitz vom Kohlsdorfer Schmied Illgen und für Altfranken vom Pennricher Schmied ausgeführt. Meine Aufgabe war: Lose Hufeisen wieder fest machen und Stollen und Griffe auswechseln, Spannwagen mussten repariert werden, dazu alle Schärfarbeiten für sömtliche landwirtschaftlichen Geräte und Maschinen, Handwerkzeuge, Schweißarbeiten und Kleinreparaturen im Hof, Stall, Büro und Gebäuden. Wenn ich aus meiner Schmiede aus dem Fenster schaute, war gegenüber die Poststelle mit Herrn Fraulob - dann Mildners Drogerie - später Drogerie Lotze, jetzt Bäckerei Grafe, links daneben das Lebensmittelgeschäft von Familie Lange - später HO und nach der Wende viele Jahre Landhausmoden Frau Ludwig, jetzt Werbeagentur Burghardt. Rechts von der Post war die Bäckerei Uhlig - jetzt Wohnhaus. Schräg gegenüber von der Bäckerei Uhlig auf der anderen Straßenseite das Eckhaus mit der Bäckerei Leege, dann Ziegenbalg - jetzt Konditorei Franke. Es gab immer etwas zu schauen, wenn ich an der Werkbank arbeitete. Morgens kam immer ein junges Paar vorbei gelaufen - (die sind von der DEFA, sagten die Leute) - es war Frau und Herr Wiemer. Ihr Arbeitsweg war zu dieser Zeit beachtlich - Sauberg Freital, ...kerbe (Einheimische Wissen, wie heißt), Freitaler Straße, Dorfplatz, Gorbitzer Straße, durch die Streuobst-Wiese Richtung Bauer Großmann, Uthmannstraße, Kesselsdorfer Straße DEFA. Körner, Max als Sportplatzwart kam auch oft in die Schmiede, sodass es für mich als Alleinarbeiter nie langweilig war. Mitte der fünfziger Jahre wurde die Schmiede zur Bücherei und Sportlerheim umgebaut. Der Kollege Weidner, inzwischen Rentner, zog ins Steigerhaus an der Zauckeroder Straße. Schmiede und Stellmacherei wurde in der ehemaligen Gutsscheune eingerichtet - jetzt Feuerwehr und Kegelbahn. Wie sich nach einiger Zeit herausstellte, war der Arbeitsschutz mit dieser Lösung nicht einverstanden - Hobelspäne und Schmiedefeuer waren für den Arbeitsschutz nicht akzeptabel. 1957 wurde ich nach Rossthal in die Landmaschinenwerkstatt versetzt. Der dort beschäftigte Schmied, Kollege Josef Schmidt, ging in Rente, sodass ich seine Arbeit übernahm. Ab 1953 trat eine Umwälzung auf unseren Gütern statt. Das Pferd als Zugtier verschwand nach und nach und Traktoren und Erntemaschinen hielten Einzug - Pionier, Famuluus, 08/15, ZT 300, Belarus, Zetor und Lader. Die Gespannführer wurden zu Traktoristen ausgebildetet. Auch ich besuchte ein viertel Jahr einen Mährdrescherlehrgang in Schlieben. Bereits 1955 stand der erste Mähdrescher E 173 in Pesterwitz. Er hatte 3 Meter Schnittbreite und musste noch einen Spreuwagen hinterherziehen. Später kam noch ein E 175 mit 5 Meter Schnittbreite dzau. Die Metallhandwerker auf dem Volksgut Pesterwitz mussten sich nun handwerklich auch umstellen und wurden Landmaschinen- und Traktorenschlosser. Im Bereich Volksgut Pesterwitz, Altfranken und Rosstal waren 1949 zwei Schmieden in Betrieb, die Pesterwitzer und die Rossthaler Gutsschmieden. Dazu kam noch die "Rote Schmiede", die Anfang der fünfiziger Jahre geschlossen und 1968 abgerissen wurde. Die Schmiede in Rosstal ist weit und breit die einzige Schmiede, die noch zu sehen ist - aber wie lange noch, dann ist sie auch verschwunden.[1]

Quellen

  1. Wie ich der letzte Schmied von Pesterwitz wurde von Günther Frost in Dorfgeflüster. Zeitschrift des Seniorenclubs Pesterwitz. Heftnummer 66 im Jahre 2008.